Die ILO (International Labour Organization) der Vereinten Nationen stellte eine Verletzung des Diskriminierungsverbots fest, der EGMR eine Verletzung von Meinungs- und Vereinigungsfreiheit (Art. 10 und 11 EMRK): Urteile, die man im Bezug auf die BRD selten hört.

Anders war dies beim am 28. Januar 1972 von der Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder unter Leitung von Willy Brandt verabschiedeten sogenannten Radikalenerlass. Durch diesen wurde es möglich, Bewerber/-innen für den öffentlichen Dienst die Einstellung zu verweigern und schon bestehende Beamtenverhältnisse zu beenden, wenn die Betroffenen „verfassungsfeindliche Aktivitäten“ entwickelten. Hierzu gehörte auch das Engagement in legalen politischen Parteien oder Organisationen, das teilweise schon bei Besuch entsprechender Veranstaltungen, Äußerungen gegen den Vietnamkrieg oder der Teilnahme an regierungskritischen Demonstrationen vermutet wurde.

Zur Durchführung der notwendigen Verfahren setzte eine ausgedehnte Überwachungspraxis ein: 3,5 Millionen Personen wurden politisch überprüft, von denen der Verfassungsschutz 25.000 – 35.000 als „verdächtig“ an die Einstellungsbehörden meldete. Mehr als 10.000 Berufsverbotsverfahren wurden eingeleitet, etwa 2.250 Personen nicht eingestellt und 256 Beamte/-innen entlassen. Es wird allerdings von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen, deren Ausmaß nur durch eine Aufarbeitung unter Öffnung der Geheimdienstarchive einschätzbar wäre.

Da der Staat in den stark betroffenen Berufsfeldern (Schul- und Hochschulbereich, Post, Bahn) ein Monopol besaß, konnten die Betroffenen ihre erlernten Berufe nicht ausüben. Deswegen wurde diese Praxis im In- und Ausland als „Berufsverbot“ bezeichnet.

Trotz zahlreicher Proteste, Druck aus dem Ausland und einer Verurteilung durch die ILO gilt der Radikalenerlass in „liberalisierter“ Form noch heute im Bund und in den meisten Bundesländern.

In Bremen, Niedersachsen und Baden-Württemberg gab es in den letzten Jahren parlamentarische Initiativen der rot-grünen Mehrheitsfraktionen, den Radikalenerlass abzuschaffen und sich um eine Rehabilitierung der Betroffenen und eine umfangreiche Aufarbeitung zu bemühen. Auch eine finanzielle Entschädigung für diejenigen, die für eine lange Zeit ihren Beruf nicht ausüben konnten und deswegen heute erhebliche Renteneinbußen hinnehmen müssen, wird diskutiert.

Der Hamburgische Senat hingegen erklärte im Dezember 2013, dass er sich mit diesen Fragen bisher noch nicht befasst habe.

Auf unserer Eröffnungsveranstaltung zur Ausstellung wollen wir mit unseren Gästen darüber sprechen, welche Konsequenzen ein solches Berufsverbot hatte und wie sich die Betroffenen dagegen wehrten. Auch wollen wir die Rechtmäßigkeit des Radikalenerlasses und die wegen verhängten Berufsverboten (teilweise bis zum EGMR) geführten Prozesse beleuchten. Schließlich soll diskutiert werden, wie das Thema in Hamburg politisch aufgearbeitet werden kann: Abschaffung des Radikalenerlasses, Rehabilitation, historische Kommission, Entschädigung?

An der Veranstaltung nehmen teil:

  • Dr. Rolf Geffken

Rechtsanwalt, erhielt als Referendar in Hamburg Berufsverbot

  • Dr. Klaus Dammann

Rechtsanwalt, vertrat von Berufsverboten Betroffene bis zum EGMR

  • Prof. em. Ingrid Kurz

Emeritierte Professorin für Soziologie (HAW), koordinierte die Initiative “Weg mit den Berufsverboten”

  • Urs Tabbert

Justizpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion Hamburg

!!! 10. Mai, 18:30 Uhr, Hörsaal der Fakultät für Rechtswissenschaft, Rothenbaumchaussee 33, 20148 Hamburg !!!