Inhalt des Seminars:

Das Recht und Politik in einem „prekären Verhältnis“ stehen, kann, wie nicht nur die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts gezeigt haben, heutzutage als eine gesicherte Erkenntnis gelten. Auch wenn die „Reinheit“ der Rechtslehre (Kelsen) über Generationen von Studierenden hinweg in den Vorlesungsräumen gelehrt wird, ist klar, dass Recht nicht in einem luftleeren Raum existiert. Vielmehr besteht eine untrennbare Verbindung zwischen Recht, Gesellschaft und Politik. Dies macht insbesondere die marxistische Rechtskritik deutlich, die das Recht als ein Instrument zur Sicherung von politischer Herrschaft betrachtet. Ziel des Seminars ist es, anhand von aktuellen rechtstheoretischen, öffentlich-rechtlichen und strafrechtlichen Fragestellungen gemeinsam zu erforschen, inwieweit das Recht – insbesondere im (Straf-)Prozess – als ein dezidiert politisches Instrument eingesetzt wird. Besondere Aktualität gewinnt die Thematik vor dem Hintergrund der fortdauernden juristischen Aufarbeitung der G20-Proteste. Die Hamburger Justiz ist der offenen Forderung der Politik nach „sehr harten, sehr schweren Strafen“ (Olaf Scholz) jedenfalls in Teilen bereitwillig gefolgt. Zentral ist dabei die von der Hamburger Staatsanwaltschaft in ihren Anklageschriften vertretene Konstruktion einer Mittäterschaft durch Mitlaufen: Auch diejenigen, die bloß Teil einer Versammlung waren aus der heraus Straftaten begangen worden sind, sollen für ihre bloße Anwesenheit bestraft werden. Damit steht letztlich die Zukunft der Versammlungsfreiheit vor Gericht.

Das Seminar wird sowohl die theoretischen Aspekte des Themas beleuchten als auch Raum für eine Diskussion der G20-Prozesse sowie anderer aktueller praktischer Fragestellungen bieten. Alle Studierenden, insbesondere auch Angehörige anderer Fakultäten und Institute, sind herzlich willkommen!

Mögliche Themen für die Seminararbeit:

Strafrechtliche Bezüge:
1. Die juristische Aufarbeitung der G20-Proteste am Beispiel des Rondenbargverfahrens: Mittäterschaft durch
Mitlaufen?
2. Die Verfolgung politischer Gruppen in der BRD auf Grundlage von §§ 129, 129a StGB
3. Die Verfolgung politischer Gruppen in der BRD auf Grundlage von § 129b StGB
4. Zur Kriminalisierung des Zeigens von YPJ/YPG Fahnen
5. Zur Strafbarkeit der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche nach § 219a StGB
6. Aussageverweigerung als Prozessstrategie

Öffentlich-rechtliche Bezüge:
1. Rechtliche Befugnisse und Kontrolle der Tätigkeit des Verfassungsschutzes
2. Zur Frage nach einem verfassungsmäßigen Ausnahmezustand
3. Sind G20-Protestcamps durch die Versammlungsfreiheit geschützt?
4. Das Verbot der Plattform Indymedia
5. Antifaschismus verbieten? Zu den Voraussetzungen eines Verbots von Antifagruppen
6. Die „Schwarzer Block“ Datenbank der Polizei Hamburg

Rechtstheoretische Bezüge:
1. Was ist Klassenjustiz?
2. (Inwiefern) kann es Recht ohne Staat geben?
3. Dramaturgie des politischen Prozesses
4. Vorabbildung von Prozessen (Milo Rau)
5. Die Rolle des Geständnisses
6. Die Rolle der (Medien-)Öffentlichkeit

Die Vorbesprechung findet am Montag, den 19.04.2021 um 10 Uhr c.t. per Zoom statt:

https://uni-hamburg.zoom.us/j/97362361544?pwd=VGVNQ3J0UFo3T1phR0ZIT3A0dDR4QT09

Meeting-ID: 973 6236 1544 und Kenncode: 82727355

Dort erhalten Sie die entsprechenden Hinweise für die Lektüre sowie das Erstellen der Seminararbeiten. Das Blockseminar findet als ganztätige Veranstaltung am 08.07.2021 statt. Näheres zum Ablauf wird bei der Vorbesprechung bekannt gegeben.

Anmeldungen an soeren.deister@uni-hamburg.de. Für über die Anmeldung hinausgehende Rückfragen stehen Ihnen Daria Bayer (daria.bayer@uni-hamburg.de) und Sören Deister zur Verfügung.

Seminarankündigung Politischer Strafprozess_final (PDF)