Auf Einladung der Fraktion der Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft haben am 12. Februar 2024 Dr. Thomas Richter, Prof. Dr. Peter Wetzels und Dr. Katrin Brettfeld aktuelle Ergebnisse der 6. Befragungswelle der Studie „Menschen in Deutschland: International“ (MiDInt) vorgestellt. Die MiDInt-Studie wird vom Institut für Kriminologie an der Fakultät für Rechtswissenschaft der UHH in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für regionale und globale Studien (GIGA) in Hamburg im Rahmen des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsverbundes MOTRA (Monitoring und Transfer Radikalisierung) durchgeführt. Seit November 2022 werden dafür im Abstand von etwa 2-3 Monaten repräsentative Stichproben der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland zu deren Wahrnehmung der gesellschaftlichen Situation, Meinungen zu aktuellen neuen Entwicklungen sowie politischen Einstellungen befragt.
An der letzten Erhebung im Dezember 2023 nahmen 3 149 Personen teil. Bei 29% der Befragten ließen sich autokratieakzeptierende Einstellungen im Sinne einer krisenbedingten Befürwortung der Einschränkung zentraler Prinzipien einer freiheitlichen Demokratie (darunter Meinungsvielfalt, Recht auf Opposition und parlamentarische Kontrolle) sowie die Befürwortung einer Diktatur finden. Das Ausmaß der Autokratieakzeptanz wies einen engen Zusammenhang mit dem Umfang der persönlichen Sorgen und Bedrohungswahrnehmungen angesichts aktueller Krisen und Herausforderungen auf: Je mehr existenzbedrohende ökonomische Belastungen im Bereich der Grundversorgung (Arbeit, Wohnung, Energieversorgung, Grundnahrungsmittel) die Befragten in näherer Zukunft erwarten, desto höher war deren Autokratieakzeptanz ausgeprägt. Die Rate der Autokratieakzeptanz ging weiter einher mit einer höheren allgemeinen anomischen Verunsicherung, einem geringeren Vertrauen in staatliche Institutionen sowie einer zunehmenden Wahrnehmung fehlender Problemlösekompetenzen aufseiten gesellschaftlicher Entscheidungsträger.
Die Befunde zeigen weiter, dass Autokratieakzeptanz weder auf den rechten Rand des politischen Spektrums noch auf Menschen mit geringer Bildung beschränkt ist, sondern in allen gesellschaftlichen Teilgruppen in relevantem Maße zu finden ist. Sie ist nach diesen Befunden am ehesten als Versuch der Bewältigung von Vertrauensverlusten und Unsicherheiten durch Hinwendung zu vermeintlich Sicherheit und klare Problemlösungen bietenden autoritären Strukturen zu verstehen.
Die Ergebnisse verweisen auf einen recht hohen Grad einer krisenbedingten Erosion der Bindung an die Demokratie in Zeiten der Kumulation verschiedener Krisen und gesellschaftlicher Herausforderungen. Gefahren für die freiheitliche Demokratie liegen insbesondere darin, dass rechtsextreme, antidemokratische Organisationen hier ein Potenzial finden, woran sie anknüpfen können, um ihre Basis zu verbreitern.
Die Folien mit der Präsentation der Ergebnisse können hier heruntergeladen werden.