Nach überwiegendem und klassischem Verständnis sind die Grundrechte des Grundgesetzes in erster Linie Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe. Doch bereits in den 1960er- und 70er-Jahren entwickelte sich eine intensive und reichhaltige grundrechtstheoretische Diskussion zu der Frage, ob Grundrechte auch eine (leistungsgewährende) staatliche Aktivität erfordern, um die tatsächlichen Voraussetzungen einer realen Freiheitsausübung zu gewährleisten. Offen blieb in der Folgezeit trotz ambitionierter wissenschaftlicher Entwürfe, wie diese theoretische Erkenntnis zu „realer Freiheit“ – möglicherweise auch unter Integration in das Eingriffsabwehrschema – grundrechtsdogmatisch umgesetzt werden kann.

Obwohl die „Mehrdimensionalität“ von Grundrechten heute ganz überwiegend anerkannt wird, fristen (originäre) Leistungsgrundrechte nach wie vor ein rechtswissenschaftliches Schattenda-sein. Ihre Existenz wird, wenn überhaupt, nur in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen anerkannt. Dies hat das Bundesverfassungsgericht nicht davon abgehalten, mit dem Grundrecht auf Gewähr-leistung eines menschenwürdigen Existenzminimums im Jahr 2010 ein echtes (soziales) Leis-tungsgrundrecht zu entwickeln. Ende 2021 entstand in Karlsruhe ein Grundrecht auf schulische Bildung, das ebenfalls in einem begrenzten Umfang originär leistungsrechtliche Elemente ent-hält. Der BAföG-Beschluss des 1. Senates aus dem vergangenen Jahr liest sich hingegen wie eine Pauschalabsage an jegliche Art von Leistungsgrundrechten. Politisch aktuell bleibt das Thema aufgrund der Forderungen verschiedener sozialer Bewegungen nach einem „Recht auf Wohnen“ und einem „Recht auf Gesundheit“.

In dem Seminar soll die Leistungsdimension der Grundrechte aus verschiedenen Perspektiven – grundrechtstheoretisch, grundrechtsdogmatisch und rechtspolitisch – betrachtet und diskutiert werden.

Die Teilnahme am Seminar setzt zwingend die Bereitschaft zur Lektüre umfangreicher Texte und die Freude an einer intensiven Diskussion dieser Texte voraus.

Alle Studierenden, auch Angehörige anderer Fakultäten, sind herzlich willkommen!


Für Studierende der Rechtswissenschaft besteht die Möglichkeit zum Erwerb eines Seminarscheins. Voraussetzung hierfür ist das Verfassen einer schriftlichen Seminararbeit sowie die mündliche Präsentation der Ergebnisse. Studierende des SPB IV können auch eine Examenshausarbeit anfertigen. Eine Teilnahme ohne Erwerb des Seminarscheins, lediglich zur Diskussion der Texte, ist ebenfalls möglich.

Anmeldungen unter der Angabe, ob eine Seminararbeit, eine Examenshausarbeit oder keine schriftliche Arbeit angestrebt wird, bitte per Mail an: soeren.deister@uni-hamburg.de

Die Plätze sind begrenzt und werden nach der zeitlichen Reihenfolge der Anmeldung vergeben.


Ablauf des Seminars

24. April 2025 – Vorbesprechung zum Ablauf des Seminars

14.7.2025 und 15.7.2025 – Diskussion der Texte des Readers im Blockseminar; Wahl eines Themas für die Seminararbeit

 29.9.2025 – Präsentation der Ergebnisse und Abgabe der Arbeit