Die Digitalisierung erfasst alle Lebensbereiche – längst auch Staat und Verwaltung. Der Einsatz von Algorithmen ist folgenreich – für unser Verständnis vom Rechtsstaat und das von Verfassungs wegen mit Würde ausgestattete Individuum. Groß ist der Bedarf nach rechtsstaatlicher Einhegung. Dabei geht es längst nicht mehr darum, „ob“ die Digitalisierung der Verwaltung grundsätzlich sinnvoll und wünschenswert ist. Im Zentrum muss vielmehr das „Wie“ des digitalen Staatshandelns stehen. JuristInnen stehen vor der Aufgabe, den Anforderungskatalog an digitales Verwaltungshandeln stetig zu aktualisieren, um die Technik sinnvoll nutzen zu können.

Vielfach wird über die Chancen der Digitalisierung bei der Rechtsanwendung gesprochen. Dieses Seminar widmet sich hingegen einer Schwäche der algorithmengesteuerten Rechtsanwendung: Die Technik ist nicht neutral, sondern birgt ein erhebliches Diskriminierungspotenzial. Die Szenarien sind vielfältig: Ein aktuelles Beispiel liefert der Arbeitsmarktservice in Österreich (AMS). Er setzt seit Beginn dieses Jahres einen Computer-Algorithmus ein, um die Arbeitsmarktchancen von Jobsuchenden zu bewerten und auf dieser Grundlage Arbeitsförderung zu gewähren. Insbesondere für Frauen sind die Förderaussichten pauschal negativ. Vergleichbare Diskriminierungsrisiken treten auch im Bereich der vorhersagenden Polizeiarbeit, dem sog. Predicitive Policing, zutage. Aus den USA sind Fälle bekannt, in denen Programme People of Colour zu Unrecht als riskant einstufen. All das ist Grund genug, sich mit den Diskriminierungsrisiken von Algorithmen zu befassen und Möglichkeiten rechtlicher Regulierung zu erörtern.

Das Seminar möchte beleuchten, wo die Ursachen für Diskriminierungsrisiken beim Einsatz von Algorithmen liegen. Zur Beantwortung dieser Frage sind insbesondere die Funktionsbedingungen der algorithmengesteuerten Rechtsanwendung in den Blick zu nehmen. Ferner soll im Rahmen des Seminars der Frage nachgegangen werden, welche (verfassungs-)rechtlichen Maßstäbe beim Algorithmeneinsatz in der Verwaltung gelten müssen. Zentrale Maßstäbe sind Art. 3 GG, aber auch das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 2 und 3 GG. Überdies sollen Stellschrauben gesucht werden, um Diskriminierungsrisiken beim Algorithmeneinsatz entgegenzuwirken. Hier geht es insbesondere um (staatliche) Verantwortung sowie rechtliche Transparenz- und Begründungsanforderungen.

Da sich der Algorithmeneinsatz in der Verwaltung immer noch in der „Testphase“ befindet, geht es in diesem Seminar weniger darum, abschließende Antworten zu finden. Vielmehr steht das Ringen um sinnvolle Lösungsansätze im Vordergrund. So ist das Seminar als Einladung zu verstehen, sich Gedanken über Grundlage und Leitlinien eines diskriminierungsfreien Algorithmeneinsatzes in der Verwaltung zu machen.

Zielgruppe:

Das Seminar richtet sich an alle Interessierten, insbesondere an Studierende des Schwerpunktbereichs Information und Kommunikation, aber auch an alle Studierenden,

wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Doktoranden, die an neuartigen juristischen Fragestellungen interessiert sind.

Nach Absprache können auch Examensarbeiten im SPB angefertigt werden.

Leistungen und Ablauf:

Um einen Seminarschein zu erwerben, sind gemäß der Promotionsordnung folgende Leistungen zu erbringen:

  • Aktive Teilnahme an den Seminardiskussionen
  • Mündliches Referat
  • Anfertigung einer Seminararbeit (50.000 Zeichen)

Die Veranstaltungen finden per ZOOM statt. Von den Teilnehmenden wird die (virtuelle) Präsenz an allen Terminen erwartet. Vor Veranstaltungsbeginn erhalten alle teilnehmenden Studierenden vorbereitende Materialien, die vor dem ersten Termin zu bearbeiten sind.

Zum Auftakt am 19./26.11. um jeweils 14–16 Uhr erfolgt eine Einführung in den Themenkomplex „Algorithmen in der Verwaltung“. Anhand von Anschauungsbeispielen werden die Ursachen für Diskriminierungsrisiken beim Algorithmeneinsatz in der Verwaltung erörtert und der (verfassungs- )rechtliche Rahmen beleuchtet. Anschließend erfolgt die Themenvergabe. Das Seminar ist als Blockveranstaltung Ende Februar/Anfang März geplant. Zwischen den Terminen besteht die Möglichkeit, individuelles Feedback einzuholen.

Anmeldung:

Bei Interesse an der Veranstaltung melden Sie sich bitte bis zum 16.11.2020 unter Angabe von Name, Matrikelnummer und Fachsemester per E-Mail im Sekretariat (heike.jansen@uni-hamburg.de) an, um rechtzeitig die vorzubereitenden Materialien zu erhalten. Die verbindliche Anmeldung erfolgt im ersten Veranstaltungstermin.

gez. Buchholtz

Vollständige Ausschreibung (PDF)