Wir, die Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger kritisieren schon seit langer Zeit die Praxis der Bestellung von Pflichtverteidiger:innen durch die Hamburger Gerichte, insbesondere der Haftabteilung des Amtsgerichts. Wir laden deshalb zu einer Diskussionsveranstaltung zu dem Thema

am 05. Oktober 2023 um 18 Uhr in der Grundbuchhalle des Landgerichts Hamburg,
Sievekingplatz 1, 20355 Hamburg, ein.

An der Diskussion nehmen teil:
Richter am Amtsgericht Jörg Schmidt, Hamburg, Leiter der Haftabteilung, angefragt
Rechtsanwalt Tim Burkert, Hamburg
Ronen Steinke, Journalist und Autor, Berlin
Moderation: Rechtsanwalt Arne Timmermann, Hamburg

Ronen Steinke ist Autor des Buches „Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich“ und Verfasser des Artikels„Ungute Abhängigkeiten“ in der Deutschen Richterzeitung 2023, 142.

Seit einer Änderung der Strafprozessordnung zum Jahr 2020 muss in Haftsachen Beschuldigten, dieselbst keinen Verteidiger benannt haben, ein Verteidiger oder eine Verteidigerin beigeordnet werden. InHamburg fanden nach einer Antwort der Justizbehörde auf eine kleine Anfrage der Abgeordneten Zagst(Grüne) vom 15.06.2023 (Drs. 22/12235) in den Jahren 2020 bis 2022 zwischen 444 und 869Zuführungen von Beschuldigten vor den Haftrichter pro Jahr statt. Die Zahl dürfte tatsächlich nochdeutlich höher liegen. In jedem dieser Fälle muss zwingend ein/e Verteidiger/in anwesend sein. In einerMehrzahl der Fälle bekommt der Beschuldigte durch das Gericht eine/n Verteidiger/in bestellt. Benenntder Beschuldigte niemanden, wählt das Gericht die Verteidigerin oder den Verteidiger aus. Das Gesetz (§ 142 Abs.6 StPO) schränkt das Ermessen des Gerichts bei der Auswahl insoweit ein, als dass das Gericht einen „Fachanwalt für Strafrecht oder einen anderen geeigneten Rechtsanwalt“ beiordnet, damit eine Qualitätssicherung bei der Auswahl sichergestellt ist. Zudem geht das Gesetz von einer „Auswahl“ aus dem Gesamtverzeichnis der zugelassenen Anwält:innen vor.

In Hamburg besteht seit mehr als 40 Jahren ein „Anwaltlicher Notdienst in Strafsachen“. Dieser Notdienst wird von der Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger organisiert und steht allen in Hamburg zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten offen. Voraussetzung ist, dass sie Fachanwalt für Strafrecht sind oder die für Fachanwälte für Strafrecht erforderlichen Fortbildungsstunden pro Jahr nachweisen. Diese Anforderung dient der
Qualitätssicherung.

Am Notdienst in Strafsachen nehmen zur Zeit 82 Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger aus Hamburg teil, deren Dienste gleichmäßig über einen Notdienstplan verteilt werden. An jedem Tag sind rund und um die Uhr jeweils drei Verteidiger*innen über eine einheitliche Telefonnummer für das Gericht
erreichbar.

Die Haftabteilung des Amtsgerichts, die zuständig für die Beiordnungen von Verteidiger:innen im Falle von Verhaftungen ist, nutzt den Notdienst nicht. Stattdessen bedient sich die Haftabteilung bei der Auswahl der beizuordnenden Verteidiger:innen einer Gruppe weniger handverlesener Anwält:innen, die sich dem Gericht für Pflichtverteidigungen angeboten haben. Wer genau zu dieser Gruppe gehört und ob es einer besonderen Qualifizierung bedarf, dazuzugehören, ist unbekannt. „Die aktuelle Beiordnungspraxis des Amtsgerichts ist höchst problematisch. Anstelle einer einigermaßen gleichmäßigen Auswahl unter allen qualifizierten Strafverteidigerinnen und Strafverteidigern, die dazu bereit sind, werden überwiegend nur Verteidiger:innen aus einer kleinen Gruppe von Anwält:innen bestellt, die sich gegenüber dem Haftgericht gezielt hierfür zur Verfügungstellen. Das birgt die Gefahr einer Symbiose zwischen immer den gleichen Anwält:innen und den Haftrichter:innen zulasten der Beschuldigten“, so Rechtsanwalt Arne Timmermann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft

Veranstaltungsflyer (PDF)